Aktive Aphasiker Rhein-Main

 

Geschichte

Aphasie - was ist das?

Aphasie ist eine erworbene Sprachbehinderung. Aphasie heißt wörtlich: „Verlust der Sprache“. Sie tritt nach einer Hirnschädigung auf. Zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder nach einem Unfall.

Ein  Aphasiker kann oft nicht mehr so gut sprechen, Sprache verstehen, lesen oder schreiben. Das Denken und das persönliche Wissen sind dabei aber nicht betroffen:

Aphasiker haben oft auch noch andere Probleme:
Bewegungen und Handlungen gelingen nicht mehr automatisch. Zum Beispiel eine Orange schälen. Oft fallen Bewegungen schwer. Zum Beispiel wegen einer Lähmung. Oder körperliche Funktionen sind betroffen, wie das Schlucken. Alltägliche Tätigkeiten geraten durcheinander. Zum Beispiel Körperpflege. Oder Termine.
Aphasikern fällt es schwer, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren. Sie können ihre Gedanken oft nur schwer in Sprache ausdrücken. Und sie verstehen oft nicht mehr alles, was andere ihnen sagen wollen.

Was kann beeinträchtigt sein?
Das Sprechen ist für alle Aphasiker schwer. Manche suchen mühevoll nach Wörtern oder Sätzen. Andere sprechen flüssig, verwechseln aber Buchstaben oder vertauschen Worte. Zum Beispiel: Torcke (Torte) anschneiden.

Das Verstehen fällt manchen Aphasikern mitunter nicht leicht. Sie verstehen einzelne Wörter. Aber der Zusammenhang im Satz oder Text ist für sie nicht erkennbar. Ähnliche Wörter werden verwechselt. Zum Beispiel: Wand statt Hand. Oft bemerken Aphasiker die Verwechslungen nicht.

Das Lesen und Schreiben kann für Aphasiker genauso schwierig sein. Buchstabe für Buchstabe muss das Wort entziffert werden. Das Lesen ist anstrengend und braucht viel Zeit. Manchmal weiß ein Aphasiker nicht mehr, was er zu Anfang gelesen hat. Das ist sehr beschwerlich und ermüdend.


Was kann noch beeinträchtigt sein?
• Konzentration
• Gedächtnis
• Hören und Sehen
• räumliche Orientierung und Rechnen
• Gefühlsleben

Die vier verschiedenen Arten von Aphasie
Die aphasischen Störungen lassen sich als vier große Standardsyndrome beschreiben:


Globale Aphasie
Der Globalaphasiker kann sich nur schwer verständigen. Oft spricht er einzelne Teile von Worten. Zum Beispiel „tatata“ oder „na ja, na ja“. Er versteht häufig Gesprochenes schlecht oder gar nicht. Ein Globalaphasiker begreift nur äußerst einfache Aufforderungen. Eine Verständigung ist sehr schwierig.

Broca-Aphasie
Der Broca-Aphasiker spricht oft mühsam und stockend. Er redet mit vielen Sprechpausen. Oft sind seine Sätze unvollständig. Er versteht meistens recht gut. Wenn ein Broca-Aphasiker spricht, hört es sich an wie in einem Telegramm.

Wernicke-Aphasie
Der Wernicke-Aphasiker versteht Gesprochenes nur teilweise. Er verwechselt beim Sprechen Worte und Buchstaben. Sein Redefluss ist überschießend und wirkt inhaltlich durcheinander. Manchmal ist es ein unverständliches Kauderwelsch.

Amnesische Aphasie
Der amnesische Aphasiker findet häufig nicht das passende Wort. Er versteht sehr gut. Auch das Lesen und Schreiben fällt ihm leicht. Da er nach passenden Worten suchen muss, hört es sich oft etwas zögernd an.


Aphasie in Zahlen

Aphasie nach
Schlaganfall
Schädel-Hirn-Trauma
Hirntumor
Hirnatrophie
EntzündlicheErkrankungen des ZNS
Hypoxie (Sauerstoffmangel)



Häufigkeit

80 %
10 %
  7 %
  1 %
  1 %
  1 %
           


Aphasie in Deutschland           
2 von 1.000        Menschen überleben jährlich einen Schlaganfall
40 %                 von ihnen erleiden dabei eine Aphasie
90.000               Menschen haben eine Aphasie nach einem Schlaganfall
über 100.000      Menschen sind zu jedem gegebenen Zeitpunkt in Deutschland von
                         Aphasie betroffen - ohne Dunkelziffer
1 - 2 Promille      der Bevölkerung ist an Aphasien erkrankt

     

Begleiterscheinungen

- Halbseitenlähmungen

- Gesichtsfelddefekte

- neuropsychologische Ausfälle, insbesondere

- Einschränkungen der Aufmerksamkeit

- Einschränkungen des Arbeitsgedächtnisses

- Einschränkungen der Handlungsplanung


Begleiterscheinungen Dysarthrophonie und Dysphagie

Dysarthrophonie (sprechmotorische Störungen)

Zum Sprechen brauchen wir die Muskeln von Lippen, Mund und Hals, sowie den Kehlkopf und die Brust (Atmung). Die Bewegungen dieser Bereiche müssen genau aufeinander abgestimmt sein, damit wir deutlich sprechen.
Bei der Dysartrophonie sind diese Sprechbewegungen ungenau. Beim Sprechen hört es sich dann zum Beispiel unverständlich und langsam oder wie betrunken an.
Betroffene klagen, dass sie genau wissen was sie sagen wollen. Aber der „Mund“ oder die „Zunge“ folgen einfach nicht richtig, der Mund hängt oft schief.

Dysphagie (Schluckstörungen)

Es kann sein, dass nach dem Schlaganfall das Schlucken nicht mehr richtig  funktioniert. Verschluckt sich ein Aphasiker leicht beim Essen und Trinken, dann können Nahrung, Speichel oder Flüssigkeit in die Lunge gelangen. Die Gefahr, dass er erstickt oder eine Lungenentzündung entsteht, ist groß. Eine Schluckstörung tritt vor allem in der Akutphase auf. Spezielle Therapien und Möglichkeiten der Nahrungsergänzung unterstützen und helfen Menschen mit einer Schluckstörung, wieder genussvoll essen und trinken zu können.

Kommunikation und Sprache

Aphasische Personen können oft besser kommunizieren als sprechen

Der bekannte Spruch, dass aphasische Personen besser kommunizieren können als sprechen, bewahrheitet sich immer wieder. Um das zu verstehen, muss man einige Punkte über das Phänomen Sprache erläutern und über die Beziehung zwischen Kommunikation und Sprache reflektieren.

  Man kann das Phänomen Sprache prinzipiell unter zwei Gesichtspunkten betrachten,  dem der Struktur und dem der Funktion.  

Struktur
Grammatik
Wortformen
Regeln

Funktion
Wissenserwerb
Kulturvermittlung
Kommunikation

Jede Sprache hat eine bestimmte Struktur. Diese ist ein kompliziertes System aus Regeln, ungefähr vergleichbar mit der Grammatik einer Sprache plus einem Wörterbuch, in dem die Wörter verzeichnet sind. Wir besitzen als Sprachgesunde normalerweise die Fähigkeit, unendlich viele Aussagen zu bilden. Wir können dies mittels der Wörter unserer Muttersprache und der Regeln, mit denen wir Wörter verändern (laufen, läuft, gelaufen), zusammensetzen (les-bar, ess-bar, unhalt-bar) und zu Phrasen und Sätzen kombinieren. Normalerweise denken wir über diese Aspekte nicht weiter nach. Die menschlicheSprachverarbeitung läuft unbewusst ab, und wir haben unsere Sprache mit allen Wörtern und Regeln einfach zu unserer Verfügung.   Bei Aphasie ist dies eben nicht mehr der Fall. Aphasische Personen haben Probleme, die richtigen Wörter im richtigen Moment abzurufen und zu Phrasen und Sätzen zu kombinieren.


Neben der Struktur hat Sprache aber auch Funktionen.
Für die Menschen insgesamt ist Sprache ein Mittel, die Welt zu ordnen und Wissen und Kultur weiterzugeben. Spracherwerb ist zugleich Wissens- und Kulturerwerb. Die für unser Thema wichtigere Funktion von Sprache ist die der Kommunikation. Und Kommunikation ist typischerweise zielgerichtet.
 
Wenn wir uns sprachlich äußern, dann machen wir das nicht für uns, sondern zusammen mit anderen bzw. für andere. Wir verfolgen dann bestimmte Ziele. Wir möchten informieren, bitten, drohen, anbieten, fordern, befehlen, andeuten, Freundschaften pflegen, Beziehungen erhalten, beenden oder anfangen usw..
Wenn man von einer Aphasie betroffen ist, dann ist natürlich auch die Funktion der Sprache, die Kommunikation, beeinträchtigt.
 
Man muss jetzt aber sehen, dass menschliche Kommunikation zwar überwiegend auf Sprache und sprachlichen Mitteln aufgebaut ist, dass aber auch andere Anteile sehr wichtig sind:
Stimme, Körperhaltung, Gestik und Mimik übermitteln genauso Inhalte wie Sprache.
 
Das heißt, wir können unsere kommunikativen Ziele mit verschiedenen Mitteln verfolgen. Und diese Möglichkeit nutzen die aphasischen Personen.
Denn bei Aphasie liegt eine Sprach(struktur)störung vor, welche der aphasischen Person die anderen Möglichkeiten der Kommunikation offen lassen. Und nicht wenige Betroffene versuchen daher, ihre sprachlichen Probleme mit nicht-sprachlichen Mitteln zu kompensieren.

So ist natürlich verständlich, dass die aphasischen Personen tatsächlich oft besser kommunizieren als sie sprechen. Aber auch die beste nonverbale Kommunikation macht die Sprachstörung leider nicht wett. Und so bleibt die Tatsache, dass aphasische Personen ein Kommunikationsproblem haben.  
Das zentrale Problem bei Aphasie ist die Kommunikationsbeeinträchtigung als Folge der Sprachstörung.
Das Problem ist für die Betroffenen natürlich sehr frustrierend, weil aphasische Personen ganz normale Redeabsichten und Wünsche haben, die sie vermitteln möchten. Sie sind aber nicht mehr in der Lage, ihre Wünsche, Ansichten und Meinungen in der gewohnten Weise zu vermitteln.
 
Wenn man über Kommunikation spricht, muss man auch bedenken, dass zum Kommunizieren zumindest immer zwei Personen gehören. Und wenn man sich diesen Gesamtprozess vorstellt, muss man folgendes erkennen:
Aphasie betrifft auch die sprachgesunden Kommunikationspartner.
 
Wenn nämlich in einer Kommunikation ein Teilnehmer nur eingeschränkte Ausdrucksmöglichkeiten hat und zudem vielleicht einen Teil des zu ihm Gesagten nicht versteht, dann hat auch der Kommunkationspartner der aphasischen Person ein Kommunikationsproblem! Denn auch dieser Kommunikationspartner kann sich nicht verständlich machen, und auch er versteht das ihm Mitgeteilte nur zum Teil.
 
Damit ist verständlich, dass Aphasie im gewissen Sinne „ansteckend“ ist und alle vor ein Problem stellt. Somit ist ebenfalls klar, dass auch die Kommunikationspartner der aphasischen Personen sich überlegen müssen, wie sie die Kommunikation „aphasiefreundlich“ und damit effektiver gestalten können. Kommunizieren ist eben ein gemeinschaftlicher Prozess, und der alte Spruch „Das Ergebnis ist mehr als die Summe der Einzelteile“ gilt auch hier.
 
Gemeinsam kommt man weiter als allein!            

(Quelle: Ratgeber Aphasie)

 


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